Piano Concerto in A flat major
op. 94, 1876
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Composer
Josef Gabriel Rheinberger
| 1839-1901During the second half of the 19th century Rheinberger, who was born in 1839 in Vaduz (Liechtenstein), was a major figure of European stature. In demand as a teacher of composition and esteemed as a composer, this professor at the Munich Conservatoire and Bavarian Court Kapellmeister made his mark on a whole generation of musicians. The fact that many of his compositions were no longer performed after his death in 1901, despite their high musical qualities, was largely a result of external circumstances. The change of aesthetic orientation which began about the turn of the century led to a radical move away from the conservative-classical ideals to which Rheinberger – like Brahms – had felt himself committed. It was also a fact that Rheinberger never publicized his own works vigorously. The Josef-Rheinberger-Archiv and Carus published a complete edition of works by Josef Gabriel Rheinberger for the first time. The edition, concluded in 2009, has contributed significantly to the fact that the music of this composition teacher and Bavarian Court Kapellmeister from Munich can once again be heard around the world today. Personal details
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Editor
Han Theill
Reviews
Reinbergers 1876 entstandenes Klavierkonzert ist alles andere als ein typisches Virtuosenkonzert in der Tradition Liszts, Thal
Josef Gabriel Rheinberger: Konzert für Klavier und Orchester
Reinbergers 1876 entstandenes Klavierkonzert ist alles andere als ein typisches Virtuosenkonzert in der Tradition Liszts, Thalbergs oder gar Chopins. Beim ersten Kennenlernen des Werkes ist man sogar ein wenig enttäuscht: farb- und konturlos der erste Eindruck (der erste Soloauftritt des Klaviers wird gar nur mit den drei Kadenzakkorden bestritten). Erst wiederholtes Hören und intensives Studium enthüllen die Vorzüge dieses an versteckten Schönheiten reichen Werkes.
Wie in manchen seiner Kammermusikwerke ist das Klavier hier in ständiger Bewegung; dabei übernimmt der Solist eher die Rolle eines primus inter pares, der mit dem Orchester einen kultivierten Dialog führt, ohne jedoch in den von dem Wort „concertare” (= wetteifern, streiten) geforderten kritischen Dialog mit dem Orchester einzutreten. Mit dieser Haltung steht es eher in der Tradition der letzten Beethoven-Konzerte oder Schumanns a-Moll-Konzert op. 54 und bereitet den Boden für das wenige Jahre später geschriebene B-Dur-Klavierkonzert op. 83 von Johannes Brahms. Dass Solist und Orchester dabei buchstäblich in zwei verschiedenen Welten leben und musizieren, nimmt Rheinberger (bewusst?) in Kauf. Zahlreich sind die Stellen, an denen Rheinbergers eigene Persönlichkeit, die durchaus versponnene und weltfremde Züge getragen hat, auch in seiner Musik durchscheint: Etwa in der großen Solokadenz des ersten Satzes, die (ausgerechnet!) mit einer selbstversunkenen Fuge über ein Motiv beginnt, das im symphonischen Verlauf bislang keine Rolle gespielt hat und nur gelegentlich im komplizierten Satzgefüge mit drei Hauptthemen und seinen wichtigen Motivpartikeln aufblitzt. Man kommt nicht umhin, dem Solisten schwere Kommunikationsprobleme zu attestieren - oder, wie Han Theill es in seinem lesenswerten Vorwort so schön formuliert, als würde er „wie der Stier Ferdinand in einem berühmten spanischen Bilderbuch lieber friedlich an einem Blümchen schnuppern, als sich von der großen Arena zum Kämpfen provozieren zu lassen”.
Vielleicht ist dieses Konzert sein persönlichstes Werk. Musik eines selbstkritischen und schüchternen Gelehrten, der mit großem Ernst versucht, einer „öffentlichen” Führungsrolle gerecht zu werden, zu der er zwar alle Fähigkeiten besitzt, zu der ihn aber nichts hinzieht, weil er den Sinn von „Startum” und öffentlicher Zurschaustellung der eigenen Persönlichkeit nicht begreift. Warum also ist dieses schöne Stück eigentlich aus unseren Konzertsälen verschwunden? Lag es womöglich nur daran, dass mit der Carus-Edition erst jetzt eine mustergültige Neuausgabe vorliegt? Oder an Rheinbergers „schlechtem” Ruf, den immer ein Hauch trockenen Akademikertums umwehte? Diese Hürde ist nun genommen - mögen sich die Pianisten dieses Konzertes annehmen. Es ist die Mühe wert.
Hans-Dieter Grünefeld
Quelle: Piano 2/04